- Brasilien wird Weltmeister. Sagen so gut wie alle. Auch in der Umfrage der NY Times weichen nur die Fans aus Argentinien (aus Prinzip), Spanien (aus Erfahrung) und USA (aus Unwissenheit) von der Einheitsmeinung ab. Ein amüsanter Artikel, in dem u.a. ausgeführt wird, dass die Franzosen knapp hinter ihrer ehemaligen Kolonie vornehmlich sich selbst hassen, die Argentinier den Falklandkrieg noch nicht ganz verdaut haben, die Griechen uns leiden sehen wollen, die Amis eh nur sich und die Russen kennen und wir … Moment… Iran und Honduras nicht mögen??? England, gerne. Holland, na klar. Spanien, verständlich. Italien sowieso, aber Honduras? Hondurashasser mögen sich mir bitte in den Kommentaren schlüssig erklären.
- Bisher war es fast immer so, dass die großen Fußballnationen zuhause auch den Titel geholt haben: Uruguay, Italien, England, Deutschland, Argentinien, Frankreich. Es könnte also langweilig werden. Das sich gegenseitig ausgleichende Ausnahmenpaar bildet Italien 1990 (Deutschland) und Deutschland 2006 (Italien). Die danach noch übrig bleibende Abweichung: Brasilien 1950 mit den Urus als Gewinner. Darüber machen die Sambatänzer jetzt noch nach 64 Jahren einen Riesenbohei. Wären sie clever gewesen, hätten sie heuer einfach die südlichen Nachbarn den teuren Kram veranstalten lassen: garantierte wirtschaftliche Destabilisierung durch die FIFA, Ruhe zuhause und sich schön gelockert für die Schmach von 1950 rächen. Aber auf mich hört ja keiner.
- Bei den Kroaten fehlt gesperrterdings der aus der Bundesliga bekannte Josip Simunic, weil er den sogenannten „kroatischen Gruß“ gezeigt hat. Ich stellte mir – basierend auf meinen Erfahrungen mit kroatischen Turnierspielen – darunter vor, mit ausgestrecktem Bein Richtung Sprunggelenk zu fliegen, gleichzeitig einen Böller zu zünden und die Nationalhymne zu singen. Aber weit gefehlt! Ist irgendein faschistischer Scheißndreck. Man muss nicht schlau sein, um gut kicken zu gönnen, aber die öffentliche Zurschaustellung schmerzender Dummheit auf dem Fußballplatz braucht doch auch keiner.
- Muss man wen kennen von den Burschen? Oh ja, viele. Allein aus der Bundesliga tummeln sich hüben Luiz Gustavo und Dante (wohl eher ersatzweise am ComBinho), und drüben Ivan Perisic, Ivica Olic, Milan Badelj und der heute gesperrte Mario Mandzukic (nach einer allerdings moralisch einwandfrei erspielten roten Karte). Es könnte angesichts der drei „Wölfe“ auf dem Platz also fast ein Betriebsfest des VfL Wolfsburg sein, wenn nicht die ganzen Zuschauer da wären. International bekannt und berühmt: Luka Modric (seit 2008 von allen Trainern als Supertechniker anhosiannat), Ivan Rakitic (ex-Schalker und danach wohl richtig gut geworden), Dani Alvez, Oscar, Hulk, Fred und Neymar (Merke: je weiter du in Brasilien vorne spielst, desto kürzer muss dein Name sein; insofern erwarte ich einiges von der Nummer 21, Jo).
- Zur allgemeinen Belustigung tippe ich wieder. Für den Beginn habe ich eine Mehrwegwette am Start, konnte also auch bei einer Partie auf zwei Spielausgänge setzen. Heute Abend ruht mein Geld daher auf einem Sieg Brasiliens oder einem Unentschieden. Ich bin meinen Einsatz also nur los, wenn Kroatien gewinnt. Manche Menschen wollen für ihr Geld eben die Welt brennen sehen.
- Je später der Abend, desto schöner das Eröffnungsspiel. Die Sensation blieb aus, den Kroaten hätte ich aber ein Unentschieden gegönnt und das schreibe ich nicht nur, weil ich dann meine Wettquote erhöht hätte. Nach dem 0:1 durch das erste brasilianische WM-Eigentor überhaupt wollte ich noch einen charmanten Erpresserbrief an die teilnehmenden Verbände aufsetzen, in dem ich mein Tippversagen gegen Zahlung einer hübschen Summe zu Geld machen wollte.
- Die Kroaten über die Flanken brandgefährlich, vor allem der olle Olic mit einer Topleistung. Auch Rakitic sehr stark, von Modric sah ich wie schon seit drei Endrundenturnieren eher wenig. Liegt wahrscheinlich an mir. Auffällig: die Abwehr Brasiliens ist innerhalb von knapp 55 Minuten massiv im Wertungs-Ranking des ZDF abgerutscht. Vor Anpfiff noch Weltklasse mit international erfahrenen Beinen, um die alle Teams der Welt sie beneiden. Kurz nach der Pause allesamt mit Aussetzeranfälligkeitsattest von Béla Réthy.
- Neymar mit schon zwei Toren, das erste perfekt neben den Innenpfosten gefrickelt, der Elfmeter allerdings… uiuiuiuiui. Ich kann gut verstehen, dass die Kroaten den japanischen Schiri bestürmten, er solle doch bitteschön die Torkamera zum Foul befragen. Aber so läuft es halt nicht. Den Fred kann ich ehrlich gesagt jetzt nicht mehr so recht leiden. Peinliches Hinabschwalben in den Acker und dann noch dem lieben Herrgott danken. Unschön. Das müsste der Fußballgott eigentlich nachträglich irgendwann im Laufe des Turniers sanktionieren.
- Die Brasilianer bis zum unverdienten Führungstreffer schön, im Endeffekt aber so sinnlos wie die von einem Deosprayhersteller angebotenen Klebebildchen der Spielerfrauen. Die Kroaten in den letzten Minuten mit herrlich Dampf im Fuß, spielten die gegnerische Abwehr in Einzelteile, wurden allerdings nicht belohnt. Der Konter zum Endstand durch Oscar wusste als Abschluss optisch und technisch zu gefallen.
Tore:
0:1 Marcelo (11., Eigentor)
1:1 Neymar (29.)
2:1 Neymar (71., Foulelfmeter)
3:1 Oscar (90.)